§ 1684 BGB - Umgangsvereitelung und Wächteramt des Staates -

Was nützt der beste Umgangsbeschluss, wenn er nicht durchgeführt wird, weil der sorgeberechtigte Elternteil ihn hintertreibt? Gegen das Kind, dessen Willen möglicherweise manipuliert ist, darf keine Gewalt angewendet werden, und das ist auch richtig so. Kritisch ist es allerdings zu beurteilen, wenn Gerichte auch Sanktionen gegenüber dem sorgeberechtigten Elternteil ablehnen. Hierin könnte eine Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte des Kindes aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und eine Missachtung des sog. "Wächteramts" des Staates (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) liegen. Denn wenn der sorgeberechtigte Elternteil ohne plausiblen Grund die beschlossene Umgangsregelung hintertreibt, dann beschneidet er das Kind in dessen Recht auf Umgang mit dem anderen Elternteil, und hierzu darf das Gericht seine Hand nicht reichen. Art. 6 Abs. 2 GG verpflichtet das Gericht, alle geeigneten und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um dem Kind zu seinem Recht zu verhelfen.

 

In Betracht kommt z.B. die Verbindung der gerichtlichen Umgangsregelung mit der Verpflichtung, das Kind zur Durchführung des Umgangs herauszugeben (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschl. vom 03.09.2002, 1 UF 103/00, NJW 2002, 3785; vgl. auch BGH, Beschl. vom 12.03.1986, IVb ZB 87/85, NJW-RR 1986, 1264). Eine solche Herausgabepflicht kann gegen den sich verweigernden Elternteil gemäß § 33 II FGG ggf. durch Zwanghaft und Anwendung von Gewalt durchgesetzt werden. Notfalls kann dem sorgeberechtigten Elternteil die elterliche Sorge insoweit entzogen werden, als es um den Umgang mit dem anderen Elternteil geht; daneben kommt die Einsetzung eines Ergänzungspflegers in Betracht (OLG Frankfurt a.M. aaO).

 

Wenn die erforderlichen Maßnahmen nicht getroffen werden, liegt eine Verletzung des staatlichen Wächteramts und damit ein Verfassungsverstoß vor. Wenn ein Kind z.B. in 8 Jahren nur 5 mal Kontakt mit seinem Vater hatte, dann kommt dies faktisch einem Umgangsausschluss gleich; ein solcher darf aber nur für eine begrenzte Zeit von allenfalls einem Jahr ausgesprochen werden. In einem solchen Fall kann es sinnvoll sein, mit dem Verfahrenspfleger zu besprechen, ob man nicht im Namen des Kindes eine Verfassungsbeschwerde einlegen sollte. Der Verfahrenspfleger ist als Vertreter des Kindes hierzu befugt. Manchmal muss man ein Kind vor dem sorgeberechtigten Elternteil schützen, der es in falschverstandener Eigenliebe von dem wichtigen Kontakt zu dem anderen Elternteil und den übrigen Verwandten abhält. Das Kind kann sich aufgrund seiner emotionalen Abhängigkeit von dem sorgeberechtigten Elternteil hiergegen nicht wehren und bedarf deshalb gerichtlicher Unterstützung. Und wenn das Gericht ihm seine Unterstützung verweigert, dann muss es eben durch das BVerfG dazu angehalten werden.

 

Der Erfolg einer solchen Verfassungsbeschwerde hängt davon ab, was die Gerichte hätten tun können, um den faktischen Umgangsausschluss zu verhindern. Ob ein Grundrechtsverstoß vorliegt, ist vorrangig eine Tatfrage, die man nur nach Anhörung aller Beteiligten beantworten kann. Eine Rolle wird dabei auch die Frage spielen, inwieweit das Kind sich die ablehnende Haltung des sorgeberechtigten Elternteils zu eigen gemacht hat und ob daran noch etwas zu ändern ist. Das können letztlich nur Psychologen beurteilen. Wird ein solcher nicht herangezogen oder hat er sich zu der Frage der Beeinflussung des Kindeswillens nicht geäußert, dann kann darin ein Verfahrensfehler liegen, der ebenfalls zu einem Verfassungsverstoß führen würde.

 

Wenn es aber der gefestigte Wille des Kindes ist, mit dem anderen Elternteil und/oder seinen Großeltern derzeit keinen Umgang zu haben, dann kann kein Gericht der Welt etwas dagegen tun. In diesem Fall könnte man allenfalls daran denken, das Kind – u.U. gemeinsam mit den Eltern – einer therapeutischen Behandlung zu unterziehen, um die Ursachen der ablehnenden Haltung zu erkennen und möglicherweise zu beseitigen. Ansonsten bliebe nur die Hoffnung, dass die Zeit eine Änderung der ablehnenden Haltung des Kindes bewirkt.

 

Leider ist es so, dass in familienrechtlichen Verfahren häufig erst das BVerfG den Gerichten zeigen muss, wo es langgeht (vgl. zuletzt in einem besonders krassen Fall: BVerfG vom 18.07.2006, 1 BvR 1465/05). Das liegt in der Komplexität der Materie bzw. der beteiligten Interessen; hier wird häufig falsch gewertet, was zur Verletzung verfassungsmäßiger Rechte führt. In einem solchen Fall sollte man nicht zögern, den Weg zum Verfassungsgericht zu beschreiten.

 
Raum für weitere Eintragungen


Stichwort:

 

Strafrecht
- StGB (Strafgesetzbuch)

Stichwörter:

 

- Täterschaft/Anstiftung/Beihilfe

Rechtsquelle:

StGB, §§ 25, 26, 27

§ 25 Täterschaft

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.
(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

§ 26 Anstiftung

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

§ 27 Beihilfe

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
1.1Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. 2Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
2.1Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. 2Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

Stichwort:

 

-Rechtsbeugung

Rechtsquelle: § 339 StGB

Weitere Rechtsquellen:

Grundgesetz - GG -

 

Art. 20 Abs. 3

Art. 19 Abs. 4 Satz 1

Art. 3 Abs. 1 – 3

Art. 101 Abs. 1

Art. 103 Abs. 1


EMRK

 

Art. 8, Art. 14,

Art. 17, Art. 18
EGV, Art. 234 (1) lit.

Art. 13 Abs. 1

Stichwort:

 

. Rechtsprechung


A. Bundesverfassungsgerichts

BVerfG, in: BVerfGE 2, 380/403

Weitere Fundstellen:

NJW

BVerfG, in: NJW 1953, Seite 1137
BVerfG, in: NJW 2005, Seite 2685

B. Bundesgerichtshofs:

BGHSt

BGH, in: BGHSt 32, 257 f.;
BGH, in: BGHSt 38, 383;
BGH, in: BGHSt 40, 43; 40, 181
BGH, in: BGHSt 41 317/319;
BGH, in: BGHSt 42, 343 f.; 42 349,
BGH, in: BGHSt 44, 299;
BGH, in: BGHSt 47, 109;

Weitere Fundstellen:

a) NJW

BGH, in: NJW 1960, Seite 253,
BGH, in: NJW 1999, Seite 327 - Waldheim Prozesse -

b) NStZ-RR

BGH, in: NStZ-RR 2001, Seite 244

Literatur:

vgl. o. 1 vor § 331 Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Auflage

Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage, § 339 Rdnr. 4 - m.w.Lit.u.Rspr.N. -
Fischer, StGB, 52. Auflage


Stichwort:

Rechtsbeugung
- Menschenwürde
- Missachtung

Rechtsquelle:

StGB, § 339 - Rechtsbeugung -
StGB, § 336 - Unterlassen einer Diensthandlung -
StGB, § 235 - Kindesentziehung -
StGB, § 225 - Misshandlung von Schutzbefohlenen -
StGB, § 340 - Körperverletzung im Amt -


Grundgesetz - GG -

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und 2

Art. 2 Abs. 1

Art. 1 Absatz I Satz 1 und 2

 

Siehe auch BVerfGE 1, 97, 104


Rechtsprechung:

… „Der Straftatbestand der Rechtsbeugung nach § 339 StGB ist bereits dann erfüllt, wenn ein Verfassungsbruch gegen die Menschenwürde aus Art. 1 I GG – hier: Missachtung -, vgl. auch dazu die Rspr. des 3. Strafsenats des BGH, Beschluss vom 11.04.1997 – 3 StR 567/96 – sowie des 5. Strafsenats des BGH, Beschluss vom 15.05.1997 – 5 StR 121/97 und 5 StR 580/69 -; siehe auch dazu BGH, in : BGHSt 40, 167 f.; 41, 254, vorliegt oder begangen worden ist; vgl. auch dazu ferner, BVerfG, in: NJW 1997, Seite 929/931; 1998, Seite 2585; und BVerfG, in: NStZ, 1998, Seite 455”. ..