Tröndle, StGB, 52. Auflage, StGB, Rdnr. 3 zu § 235 StGB - Kindesentziehung/Umgangsvereitelung -
Mitteilung für Alle Mütter und Väter
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Umgangsvereitelung durch das Jugendamt
Umgansgsvereitelung durch das Jugendamt.
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StGB, § 235 - Kindesentziehung - Umgangsvereitelung -

Auszug aus dem Strafgesetzbuch - StGB -

Strafgesetzbuch
Besonderer Teil (§§ 80 - 358)       
18. Abschnitt - Straftaten gegen die persönliche Freiheit (§§ 232 - 241a)       
§ 235 - Entziehung Minderjähriger - StGB

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List oder
2.  ein Kind, ohne dessen Angehöriger zu sein,
den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger entzieht oder vorenthält.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger
1. entzieht, um es in das Ausland zu verbringen, oder
2. im Ausland vorenthält, nachdem es dorthin verbracht worden ist oder es sich dorthin begeben hat.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und des Absatzes 2 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt oder
2. die Tat gegen Entgelt oder in der Absicht begeht, sich oder einen Dritten zu bereichern.

(5) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(6) In minder schweren Fällen des Absatzes 4 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 5 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(7) Die Entziehung Minderjähriger wird in den Fällen der Absätze 1 bis 3 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält

Umgangsvereitelung mit Rechtsprechung

Stichwort:

- Strafrecht

   hier: Kindesentziehung durch den sorgeberechtigten Elternteil


Rechtsquelle

StGB, § 235

StGB, § 235 Abs. 4 Nr. 1

GG, Art. 103 Abs. 3

 

4 Entscheidungen zu § 235 StGB

 

1

Urteil des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

vom 09.02.2006

- 5 StR 564/05 -

 

Entziehung Minderjähriger (Entziehung durch List; Qualifikation der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung des Opfers: Verbringung an unbekannten ausländischen Aufenthaltsort, Opferbegriff); Dauerstraftat und ne bis in idem.

 

§ 235 StGB; § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB; Art. 103 Abs. 3 GG

 

2

Urteil 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

 vom 09.02.2006

- 5 StR 564/05 -

 

Entziehung Minderjähriger (Entziehung durch List; Qualifikation der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung des Opfers: Verbringung an unbekannten ausländischen Aufenthaltsort, Opferbegriff); Dauerstraftat und ne bis in idem.

 

§ 235 StGB; § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB; Art. 103 Abs. 3 GG

 

3

Urteil 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

 vom 11.02.1999

-4 StR 594/98 -

 

BGHSt 44, 355; Umgangsrecht; Kindesentziehung des allein sorgeberechtigten Elternteils; Gesamtstrafenbildung; Milderes Gesetz;

 

§ 235 StGB a.F. (10. März 1987), § 2 Abs. 3 StGB; § 55 Abs. 1 StGB;

 

4

Urteil 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

 vom 23.06.1993

- 3 StR 89/93 -

 

BGHSt 39, 239; Konkurrenzverhältnis zwischen Kindesentziehung und Freiheitsberaubung bei fehlendem Strafantrag; Ausschluss eines Richters, wenn er in der Sache Zeuge ist (Erlangung von dienstlichem Wissen innerhalb des anhängigen Verfahren); unzulässige Beweiserhebung.

 

§ 235 Abs. 1 StGB; § 238 Abs. 1 StGB; § 239 Abs. 1 StGB; § 22 Nr. 5 StPO; § 244 Abs. 3 S. 1 StPO

 

 

Weitere Fundstellen

 

FamRB 2011, Seite 168


Vollständiger Unterhaltsausschluss bei (u.a.) Umgangsvereitelung Beschluss des 9. Familiensenats des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 12.01.2011  - 9 WF 383/09 (PKH) -

 

 

Rechtsprechung

 

Beschluss des 9. Familiensenats des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 12.01.2011  

- 9 WF 383/09 (PKH) -

   hier: Umgangsvereitelung

 

Unterhaltsrecht

Vollständiger Unterhaltsausschluss bei (u.a.) Umgangsvereitelung Beschluss des 9. Familiensenats des Oberlandesgerichts Brandenburg

vom 12.01.2011 - 9 WF 383/09 (PKH) -


Verwirklicht die unterhaltsbedürftige Ehefrau gleich mehrere Verwirkungstatbestände, so kann ihr Anspruch auf nachehelichen Unterhalt auch dann vollständig ausgeschlossen sein, wenn sie ein gemeinsames, erst zwei Jahre altes Kind betreut.


2. Dies gilt insbesondere dann, wenn ihr Fehlverhalten gerade darin liegt, den Umgang zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Kind zu vereiteln.


 

Beschluss des OLG Brandenburg

vom 12.01.2011

- 9 WF 383/09 (PKH) -

 

Vorinstanz
AG Bad Liebenwerda - 21 F 164/07 -



BGB §§ 1570, 1573 Abs. 2, 1579 Nr. 1, Nr. 7


Das Problem:


Die Parteien haben im Mai 2003 geheiratet, im Juli 2004 wurde ihr gemeinsames Kind geboren. Der Scheidungsantrag wurde im September 2005 zugestellt, im Januar 2006 gebar die Ehefrau ein weiteres Kind von einem anderen Mann. Mit diesem Kindesvater und beiden Kindern ließ sich die Ehefrau in der örtlichen Presse abbilden, unter Angabe ihres vollen Namens und der Bildunterschrift "Nun zu fünft". In der Folgezeit vereitelte die Ehefrau gegen alle Bemühungen des Ehemanns, des Jugendamts und der Familiengerichte den Umgang des Ehemanns mit dem gemeinsamen Kind. Gegen die geltend gemachten Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt beruft sich der Ehemann auf Verwirkung.


Die Entscheidung des Gerichts:


Im Rahmen des PKH-Prüfungsverfahrens nach altem Recht stellt das OLG zunächst fest, dass der Verwirkungsgrund der kurzen Ehedauer gem. § 1579 Nr. 1 BGB nicht greift. Zwar habe die Ehe bis zur Zustellung des Scheidungsantrags nur zwei Jahre und vier Monate gedauert. Aber die Zeit der Betreuung des gemeinsamen Kindes sei zwar nicht schematisch hinzuzurechnen, jedoch zumindest bei der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen, und zwar mindestens bis zum dritten Geburtstag des Kindes. Obwohl vorliegend kaum eine wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten vorgelegen habe, scheide eine Versagung des Unterhalts aufgrund kurzer Ehedauer wegen der Belange des gemeinsamen Kindes aus. Auch der Umstand, dass die Ehefrau während der Ehe mit einem anderen Mann ein Kind gezeugt habe, reiche für ein schwerwiegendes ehewidriges Fehlverhalten nicht aus, da der Ehemann eine andauernde Beziehung nicht habe nachweisen können und daher von einem einmaligen Fehlverhalten auszugehen sei.


Die weiteren Gründe seien jedoch in ihrer Gesamtheit geeignet, die eheliche Solidarität derart in Frage zu stellen. dass auch vom Ehemann keine nacheheliche Solidarität in Form der Verpflichtung zur Unterhaltszahlung mehr erwartet werden könne. So sei durch den Zeitungsbericht unter voller Namensnennung ein für den damals noch verheirateten Ehemann äußerst beleidigender und belastender Anschein erweckt worden, der dessen häusliche Verhältnisse in ein krasses Licht stelle.

Besonders schwer wiegt jedoch nach den Ausführungen des Senats die Vereitelung des Umgangs mit der gemeinsamen Tochter. Die Kindesmutter habe in unsäglicher Weise - häufig erst ganz kurzfristig und ohne Absage - Umgangskontakte unterbunden. Trotz unermüdlicher Versuche seitens des Kindesvaters, des Jugendamts und der Gerichte sei es nicht gelungen, die Kindesmutter von ihrer sturen und nicht zu rechtfertigenden Blockadehaltung abzubringen, was letztlich zu einer Trennung zwischen Vater und Tochter und damit zu einem Schaden für das Kindeswohl und das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG geführt habe.


Nach Abwägung aller Umstände führe dieses allein der Ehefrau anzulastende grobe Fehlverhalten zu einem vollständigen Ausschluss des Unterhalts spätestens ab September 2006. Im Übrigen sei der notwendige Mindestunterhalt jedenfalls durch die Rente und das Erziehungsgeld gedeckt.

Konsequenzen für die Praxis:


Wird Unterhalt wegen der Betreuung minderjähriger Kinder geltend gemacht, führt das Vorliegen von Verwirkungsgründen in aller Regel nur zu einer Kürzung des Unterhaltsbetrags, da die Belange der gemeinsamen Kinder zu wahren sind. Nach Ansicht des OLG Brandenburg steht jedoch vorliegend der vollständigen Versagung des Unterhaltsanspruchs auch das Wohl des gemeinsamen Kindes nicht entgegen, da dieses zum einen seit Juli 2007 ohnehin drei Jahre alt sei und fremdbetreut werden könne, zum anderen weil wegen der grundlosen Umgangsvereitelung gerade in Bezug auf dieses Kind ein besonders krasses Fehlverhalten der Ehefrau vorliege, so dass sie sich nicht im Gegenzug gerade auf die Pflege dieses Kindes berufen könne.


Hinweis:

Die beharrliche Verweigerung des Umgangsrechts erfüllt nur dann den Verwirkungsgrund des einseitigen Fehlverhaltens gem. § 1579 Nr. 7 BGB, wenn der Umgangsberechtigte seinerseits alles getan hat, um Widerstände des Kindes zu überwinden; der Pflichtige muss also nicht nur das Fehlverhalten des anderen Ehegatten darlegen und beweisen, sondern auch seine eigenen Bemühungen, Umgang mit dem Kind herbeizuführen und ggf. dessen ablehnende Haltung zu ändern (BGH v. 14.3.2007 - XII ZR 158/04, FamRB 2007, 229 [230] = FamRZ 2007, 882 (886); Ehinger/Griesche/Rasch, Handbuch des Unterhaltsrechts, 6. Aufl., Rz. 547a).