Familienrecht - Umgangsrecht - Strafhaft -

 Im Namens des Volkes

 

 

Familienrecht

 

Stichworte

- Umgangsrecht

   - Strafhaft

      - Ausschluss

   - Gefährdung des Kindeswohls.

 

Gericht

- BGH

 

Typ der Entscheidung

- Urteil

- Beschluss

 

Datum der Entscheidung

12.07.1984

 

Geschäftszeichen

IVb ZB 95/83

 

 

 

Fundstelle:

FamRZ 1984, Seite 1084

 

Weitere Fundstellen

DRsp I(167)322a-b

 

Rechtsquelle

BGB § 1634 Abs.2 Satz 2 a.F.

BGB § 1684 Abs. 4 n.F.

 

StGB § 57

 

Zeitweiliger Ausschluss des Umgangsrechts (§ 1634 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.) im Falle längerer Strafhaft des nicht sorgeberechtigten Elternteils (hier: nach Begehung von Gewaltverbrechen):

 

(a) Entbehrlichkeit der -kalendermäßigen Angabe eines Enddatums im

 

Beschlusstenor;

 

(b) mögliche (stichhaltige) Gründe für die Annahme einer Gefährdung des Kindeswohls.

 

BGB § 1634 Abs.2 Satz 2 (a.F.)

BGB § 1684 Abs. 4 Satz 3 und 4 (n.F.)

 

Die Eltern des am 22. 9. 1978 geborenen Kindes sind geschieden. Das Sorgerecht ist der Mutter übertragen worden. Der Vater befindet sich seit Oktober 1980 in Strafhaft und hat seitdem keinen Kontakt mehr zu dem Kind. Nach der Vollstreckung einer zunächst zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe verbüßt er gegenwärtig eine - u. a. wegen Vergewaltigung ausgesprochene - Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren; das Strafende ist auf den 3. 2. 1986 berechnet. Die Mutter hat ihren Mädchennamen wieder angenommen, den Wohnort gewechselt und mit dem Kind einen neuen Lebenskreis aufgebaut. Das AG - FamGer. - hat den Antrag des Vaters, ihm ein <<Umgangsrecht>> mit dem Kind zu gewähren und dessen Ausübung zu regeln, abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Vaters hat das OLG mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Umgangsrecht des Vaters bis zu dessen Entlassung aus der Strafhaft ausgeschlossen wird, weil das Kindeswohl durch die Beziehungen zum Vater gefährdet werde, solange dessen Strafvollzug nicht beendet sei. Der erk. Senat hat diesen Beschluss auf die weitere Beschwerde des Vaters aufgehoben und die Sache zwecks weiterer Aufklärung an das OLG zurückverwiesen.

 

(a) "Ohne Erfolg bemängelt die weitere Beschwerde allerdings, dass in der angefochtenen Entscheidung der Zeitraum, für den das Umgangsrecht ausgeschlossen werden soll, nicht hinreichend deutlich bestimmt werde, weil die zeitliche Begrenzung "bis zu dessen Entlassung aus der Strafhaft" verschiedene Deutungen zulasse. Diese Formulierung ist dahin zu verstehen, daß der Tag der tatsächlichen Entlassung gemeint ist, gleichgültig, ob sie auf der vollen Verbüßung der erkannten Strafe oder auf einer bedingten Aussetzung der weiteren Strafvollstreckung beruht. Das Gesetz verlangt in § 1634 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht, dass bei einem zeitweiligen Ausschluss des Umgangsrechts in jedem Fall im Beschlusstenor ein Enddatum kalendermäßig angegeben wird. Zwar wird aus Gründen der Rechtsklarheit im Regelfall zur Festlegung einer bestimmten Zeit .. auch die Angabe eines bestimmten Kalendertages als zeitlichen Endpunktes der angeordneten Einschränkung erforderlich sein (vgl. KG, FamRZ 80, 399). Der vorl. Fall weist indessen die Besonderheit auf, dass das für die zeitliche Begrenzung des Ausschlusses bestimmte Ereignis - die Entlassung aus der Strafhaft - datumsmäßig derzeit nicht sicher feststeht; denn § 57 StGB eröffnet Möglichkeiten, die (weitere) Vollstreckung einer zeitigen Freiheitsstrafe nach Verbüßung eines Teiles der Strafe zur Bewährung auszusetzen. Müsste in einem derartigen Fall der Ausschluss des persönlichen Umgangs mit dem Kind auf das Datum des voraussichtlichen Strafendes beschränkt werden, könnte im Fall einer vorzeitigen Entlassung ein neues Verfahren notwendig werden. Das diente weder den - vorrangigen - Interessen des Kindes noch denen anderer Beteiligter, auch Gründe der Rechtssicherheit gebieten eine derartige Regelung nicht.

 

(b) Die Gründe, die das OLG für den zeitweiligen Ausschluss des Umgangsrechts herangezogen hat, erweisen sich jedoch zum Teil als nicht stichhaltig... Dass der Vater Gewaltverbrechen begangen hat und deswegen zweimal zu längeren Freiheitsstrafen verurteilt worden ist, rechtfertigt für sich allein nicht den Schluss, dass das Kindeswohl durch Beziehungen zu ihm gefährdet ist, solange der Strafvollzug nicht beendet und eine Resozialisierung des Vaters nicht erweislich ist. Diese Folgerung steht zunächst im Widerspruch zu der Feststellung, dass zwischen dem Kind und seinem Vater bis zu dessen Inhaftierung gute emotionale Beziehungen bestanden haben; damals hatte der Vater diese Straftaten schon begangen und war wegen der einen auch bereits verurteilt worden. Sodann rechtfertigt allein die Tatsache der Inhaftierung des Berechtigten den (zeitweiligen) Ausschluss des Umgangsrechts regelmäßig noch nicht (vgl. BayVerfGH , NJW 1973, 1644). Wenn wie im vorl. Fall Möglichkeiten bestehen, durch eine entsprechende Ausgestaltung des Umgangsrechts außerhalb der Strafanstalt, etwa im Zusammenhang mit Hafturlaub des Umgangsberechtigten, die Gefahr einer Beeinträchtigung des Kindeswohles ausreichend zu beheben, verliert der Umstand, dass der Berechtigte Strafhaft verbüßt, zudem erheblich an Bedeutung.

 

Dass das Kind zur Ausübung des Umgangsrechts zu fremden Personen in eine fremde Umgebung gebracht werden müsste, kann dessen zeitweiligen Ausschluss ebenfalls nicht rechtfertigen. Das Umgangsrecht dient gerade dazu, dem Eintritt oder der Fortwirkung einer Entfremdung zum Berechtigten entgegenzuwirken. Stellen [etwa] die Eltern des Vaters - die Großeltern des Kindes - zur Ausübung des Rechtes ihre Wohnung zur Verfügung, braucht die Begegnung mit dem Vater in derartiger Umgebung ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Entwicklung des Kindes nicht zu gefährden.

 

Auf rechtliche Bedenken stößt [ferner] die Erwägung, das Kind solle im Vorschulalter nicht mit Konflikten belastet werden, die bei der Verfeindung der Eltern und der verständlichen ablehnenden Haltung der Mutter gegen den Vater zwangsläufig aus den Besuchskontakten entstünden. ... Zwar wäre es lebensfremd zu erwarten, dass es aufgrund .. [der] gesetzl. Wohlverhaltensklause, des § 1634 Abs. 1 Satz 2 BGB, nicht mehr zu dem Kindeswohl abträglichen Konflikten zwischen den geschiedenen Eltern kommen könne. Andererseits geht es aber nicht an, aus einer vorhersehbaren Missachtung dieses gesetzl. Gebotes durch den sorgeberechtigten Elternteil und der dadurch drohenden Beeinträchtigung des Kindeswohls einen Grund für den (zeitweiligen) Ausschluss des dem anderen Elternteil verbliebenen Umgangsrechtes herzuleiten.

 

Danach verbleibt als Begründung für einen (zeitlich begrenzten) Ausschluss des Umgangsrechts (nur) die Feststellung, dass das Kind während seines Vorschulalters durch die Wiederaufnahme eines Kontaktes zu seinem Vater - den es nicht mehr kenne und zu dem emotionale Beziehungen nicht mehr bestünden - psychisch belastet werde mit der Folge, dass seine Entwicklung oder sein Wohl gefährdet würden, nachdem es gerade die mit der Scheidung der Eltern und mit dem Abbruch des Kontaktes zum Vater verbundenen Probleme überwunden habe."

 

Raum für weitere Eintragungen

 

Fundstelle:

FamRZ 1984, Seite 1084

DRsp I(167)322a-b


Weitere Fundstellen

BayVerfGH , NJW 1973, Seite 1644